In den letzten Wochen habe ich (einmal wieder) viele Rückmeldegespräche im Rahmen bestimmter Assessment-/Diagnostik-Tools geführt. Diese Tools setzen Unternehmen u.a. im Rahmen interner Weiterbildungsmassnahmen ein, z.B. um neuen Führungskräften eine Standortbestimmung bezüglich der in der Organisation erforderlichen Kompetenzen zu ermöglichen.
Es hat mich berührt, mit wie viel Interesse und Offenheit, aber auch mehr oder minder leichter Anspannung, sich meine Gesprächspartner*innen, alle neu in einer Führungsfunktion, auf diese Rückmeldungen eingelassen haben. Am Ende beeindruckt und z.T. auch dankbar, neue Einsichten gewonnen zu haben, konnte jeder etwas für sein Führungshandeln mitnehmen. Dabei ging es keinesfalls um grosse Veränderungen, sondern darum, bestimmte Zusammenhänge und Wechselwirkungen in einer ungewohnt-neuen Klarheit wahrzunehmen, die vorher nicht gegeben war. Das hat es möglich gemacht, die Blickwinkel zu erweitern, bisherige Herangehensweisen neu zu bewerten und eigenes Verhalten zu differenzieren.
Wir konnten uns am Ende beide zufrieden aus dem Gespräch lösen: Meine Gesprächspartner*innen, weil sie ganz offensichtlich etwas annehmen und mitnehmen konnten. Ich, weil ich den Eindruck hatte, etwas Konstruktives zur persönlichen Auseinandersetzung beigetragen zu haben. Diese Erfahrung hat mich im Nachgang beschäftigt, denn der Umgang mit Assessment-Tools kann grundsätzlich sehr schief gehen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn mit diesen Instrumenten nicht sorgfältig oder oberflächlich umgegangen wird, sei es in der Kommunikation oder in der Handhabung generell. Darum möchte ich ein paar Faktoren zusammentragen, die sicher dazu beitragen, dass Sie als Führungskraft etwas Gutes aus diesen Gesprächen für sich herausziehen können:
- Nervosität im Vorfeld ist normal und legitim. Sie sind schliesslich ein Mensch mit Gefühlen und Sie erhalten auch nicht jeden Tag ein Feedback zu Ihrer Person. Es kann Ihnen und Ihrem Gegenüber helfen, das zu Beginn zu sagen, vielleicht mit einem kleinen, entschuldigenden Lächeln – was auch immer am besten zu Ihnen passt. Denken Sie daran: Es wird Ihnen kaum ein «emotionsloser Roboter» gegenübersitzen. Diese Person müsste sonst den Beruf verfehlt haben.
- Gehen Sie offen in das Rückmeldegespräche, lassen Sie nicht zu, dass Ihre Ängste Ihnen den Zugang zu potenziellen Einsichten versperren. Sagen Sie sich bewusst «Stopp», sollten Ihre Gedanken kreisen. Lenken Sie sich ab. Erledigen Sie Dinge, die auf Ihrem Schreibtisch zuoberst liegen. Machen Sie, was Sie gut können – das wird Ihnen helfen, sich fähig zu fühlen.
- Zu Ihrer Neugierde gehört, etwas über sich erfahren zu wollen. Was das sein könnte, wissen Sie vor dem Gespräch noch nicht. Was Sie grundsätzlich damit machen, ist Ihre Entscheidung. Diese Einstellung wird Ihnen helfen, sich innerlich aufrecht und positiv-neugierig aufs Gespräch einzulassen.
- Behalten Sie immer im Auge, dass Sie etwas für sich mitnehmen wollen. Das gelingt dann, wenn Sie einerseits aktiv zuhören, andererseits sich aktiv beteiligen. Nur so kann ein wirklicher Dialog entstehen. Das erhöht die Chance, etwas Handfestes über sich zu erfahren. Denken Sie daran: Ihr Gegenüber, so kompetent er oder sie ist, kann sie nicht lesen. Dabei helfen auch keine Daten aus einem Assessment- oder Diagnostiktool. Ihr*e Gesprächspartner*in kann nur Übersetzungsarbeit für Ihren beruflichen Alltag leisten. Seien Sie darum sichtbar im Gespräch, verstecken Sie sich nicht, denken Sie wahrnehmbar mit.
- Zuhören kann anstrengend sein, fragen Sie darum nach, wenn Sie etwas nicht verstanden haben. Lassen Sie Unverstandenes nicht stehen. Bleiben Sie aufmerksam. Erzählen Sie von sich. Nur so kann gemeinsam aus den Ergebnissen etwas entwickelt werden, das Relevanz für Sie und Ihren beruflichen Alltag hat.
- Die Frage «Was hat das Gehörte mit mir zu tun?» ist Ihr roter Faden durchs Gespräch. Denken Sie z.B. an konkrete Führungssituationen, die Sie als herausfordernd erleben. Sie lohnen sich zur Reflexion. Wie sind Sie bisher mit diesen Situationen umgegangen? Was ist vermutlich «Ihr ganz persönlicher Beitrag» zum anstrengenden Erleben?
- Es kann vorkommen, dass Sie sich nach einem solchen Gespräch (wohltuend) erschlagen fühlen. Das ist normal. Wann dreht man sich schon einmal so ausführlich um seine eigene Achse und gibt sich preis? Sich mit sich selbst auseinanderzusetzen kann und darf einen durchaus fordern. Keine Sorge: Das Gefühl legt sich. Lassen Sie das, was noch in der Luft ist, auf den Boden kommen. Es wurde etwas gesät. Das werden Sie zu gegebener Zeit ernten können.
Sie werden sehen: Wenn Sie so verstanden in einem Feedbackgespräch auf der Grundlage von Assessment- und Diagnostiktools interagieren, werden Sie ein echtes Gespräch führen, Spannendes über sich erfahren, mitnehmen, worüber es sich zu reflektieren lohnt – und punktuell das eigene Herangehen differenzieren und Neues ausprobieren können. Das ist immer lohnend für Sie.
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