Wenn ich mit Führungskräften arbeite, stelle ich gerne die vermeintlich provokante These auf: „Sie können nicht entwickeln“. Was meine ich damit? Ich meine damit, dass die gängige Vorstellung von „ich entwickle meine Mitarbeiter*innen“ in „ich schaffe den Raum, in dem Entwicklung möglich wird“ umgedeutet werden soll. Das ist einerseits eine hilfreiche Perspektive, denn sie setzt Ihren Fokus neu. Andererseits ist sie erleichternd, da sie Druck aus dem Kontext nimmt.
Was bedeutet dieser Perspektivwechsel konkret für Sie?
Wie auch immer Ihre Organisation das Gesprächssetting in Sachen Entwicklung nennt: Machen Sie sich das zugehörige Instrument zu eigen. Gestalten Sie mit diesem Instrument die Entwicklung Ihrer Mitarbeiter*innen. Nutzen Sie in keinem Fall dieses Instrument als Regelwerk, dem Sie der Form wegen folgen.
Hören Sie Ihrer Mitarbeiterin und Ihrem Mitarbeiter zu. Halten Sie sich zurück und springen Sie nicht vorschnell nach vorn, weil Sie glauben zu wissen, was Ihr Gegenüber sagen möchte.
Fragen Sie nach, wenn Sie etwas nicht verstehen. Nutzen Sie klug und differenziert das ganze Spektrum der Fragetechniken, um den Gesprächsfluss am Laufen zu halten und Ihr Gegenüber, wenn nötig, beim Entwickeln seiner Gedanken zu unterstützen.
Zeigen Sie Empathie und Verständnis. Das kann ein Nicken sein, das kann eine wohlwollende Bemerkung sein. Stimmen Sie Ihre Reaktionen auf Ihr Gegenüber ab: Manche benötigen viel, manche wenig. Signalisieren Sie immer, dass Sie dabei sind. So bleiben Sie in Resonanz.
Wenn das Gespräch in einem verbindlichen Ergebnis münden soll, z.B. in Form einer Massnahme: Geben Sie auch hier keine vorschnelle Lösung vor, auch wenn Sie bereits viele Ideen im Hinterkopf haben. Warten Sie, auch wenn es anstrengt, und lassen Sie Ihre Mitarbeiterin und Ihren Mitarbeiter jene Massnahme, die sie oder ihn in der Entwicklung unterstützt, selbst finden.
Noch eine Anmerkung: Ich beobachte immer wieder, dass Führungskräfte beim letzten Punkt oftmals sich selbst in die Pflicht nehmen (z.B. „ich zeige Dir, wie ich xy mache“ oder „ich unterstütze Dich, indem ich …“). Das ist gut gemeint und kann auch Sinn machen. Behalten Sie dennoch im Auge, dass es um die Eigenverantwortung Ihres Gegenübers geht, der seine Entwicklung in seine eigenen Hände nehmen soll. Darum wägen Sie bitte ab, ob eine Unterstützung Ihrerseits tatsächlich zielführend ist oder ob sie schlimmstenfalls die Eigenverantwortung Ihres Gegenübers untergräbt. Manchmal muss man darum gerade in dieser Phase Zeit geben, damit eine gute Lösung gefunden wird.
Mehr zum Thema Entwicklung lesen Sie in meinem neuen Buch, das 2025 bei Springer Gabler erscheinen wird. Nehmen Sie gerne auch direkt mit mir Kontakt auf, wenn Sie rund um die Entwicklung Ihrer Mitarbeiter:innen Fragen und Anliegen haben. Eine Aussenperspektive gibt oft genug unerwartete Impulse und bereitet neue Herangehensweisen vor.
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