Was können Sie als Führungskraft und als Mitarbeiterin konkret tun, damit Sie in Ihrem Arbeitsbeziehungsgefüge kritische Botschaften wirksam adressieren?
- Schaffen Sie Bedingungen, die langfristig wirken. Wenn Sie das bisher nicht getan haben, ist die Ausgangslage für ein Gespräch aktuell nicht die beste. Dann beginnen Sie bitte jetzt in Ihre Arbeitsbeziehung zu investieren und tragen von heute an immer wieder aktiv dazu bei, Vertrauen aufzubauen. Denken Sie sich Ihre Beziehung als Konto, auf das Sie einzahlen. Dieses bildliche Konto schafft die nötige Sicherheit, die Sie als Führungskraft und als Mitarbeiter:in benötigen. Es ist Ihre gemeinsame Grundlage, auch im hierarchischen Gefüge. Sie beide haben das Recht, sich in Ihrer Beziehung wahrgenommen und geschätzt zu fühlen. So können Sie sich Dinge sagen, die schwierig sind – im Sinn einer gemeinsamen Entwicklung.[1] Machen Sie nun aber bitte nicht einfach irgendetwas in der Annahme, der andere müsste das sehen! Sie werden schlimmstenfalls enttäuscht sein. Versuchen Sie, ab und an die Perspektive des anderen einzunehmen. Was würde diese Person genau schätzen? Wenn Sie ratlos sein sollten, bleiben Sie am Ball. Fragen Sie nach, wenn Sie keine Einschätzung haben. Am einfachsten ist es, sich zu überlegen, was Sie besonders am anderen finden. Was macht diese Person gut? Das können Sie z.B. einfach zurückmelden. Komplimente, ernst gemeint, haben Wirkung und zahlen auf Ihr Beziehungskonto ein.
- Wenn Sie nun feststellen, dass Sie mit einer Situation oder mit einem Verhalten nicht (mehr) klarkommen, ist es Zeit für eine Beziehungsinventur:
- Bitte stolpern Sie dabei weder in die Vorurteils- noch in die Opferfalle. Machen Sie sich nicht unnötig klein und geben Sie nicht die Verantwortung für Ihr Handeln ab – schon sich selbst zuliebe. Ziehen Sie sich also weder zurück noch werten Sie den anderen gedanklich ab.
- Machen Sie sich zwingend Ihr im Hintergrund liegendes (verletztes) Bedürfnis bewusst. Was genau drückt unangenehm? Es geht um Sie: Ist es eine Erwartung? Ein Wert? Eine Norm? Eine Vereinbarung?
- Fragen Sie sich: Was wollen Sie nicht mehr erleben bzw. künftig anders handhaben? Wie könnte eine Lösung im beidseitigen Interesse aussehen? Reflexion ist der Schlüssel zu mehr Klarheit. Die wird Ihnen nicht nur helfen, herauszufinden, was Sie weitergeben wollen, sondern auch wie.
- Nehmen Sie sich Zeit für diesen Prozess. Lassen Sie die inneren Wogen abklingen. Notizen helfen bei der Selbstklärung. Wenn Sie Wut haben, nehmen Sie sie wahr, denn sie ist ein hervorragendes Signal für eine Schieflage und hilft Ihnen, aktiv zu werden – allerdings nicht in Form einer Spontanreaktion.
- Behalten Sie die verbindenden Gemeinsamkeiten unbeirrt im Blick:
- Kommunizieren Sie Ihre Botschaft klar, respektvoll und wertschätzend. Denken Sie daran, Kritik kann als Angriff auf den Selbstwert wahrgenommen werden. In diesem ambivalenten Spannungsfeld bewegen Sie sich. Eine gute, stabile und sichere Beziehung hilft, diese Ambivalenz ohne Schaden auszuhalten.
- Sagen Sie darum explizit, was Sie mit der Kritik auf keinen Fall erreichen wollen, z.B. „ich will nicht, dass Sie den Eindruck gewinnen, ich schätze Ihren Einsatz in den letzten Monaten nicht, im Gegenteil…“. Das Kontrastieren soll dem anderen helfen, sich sicher im Gespräch zu fühlen.
- Bleiben Sie kongruent. Sollte Ihr Gegenüber bestimmte Punkte beschönigen, vom Thema wegführen wollen, bagatellisieren, leugnen, sind das Anzeichen fehlender psychologischer Sicherheit. Nehmen Sie dies zur Kenntnis und lassen sich nicht von Ihrer Zielsetzung und Lösungsorientierung abbringen. Als Führungskraft setzen Sie nötigenfalls einen neuen Termin an, als Mitarbeiter:in bitten Sie um Klärung Ihres Anliegens zu einem anderen Zeitpunkt.
- Feedbacktechniken helfen. Wo immer Sie sich zuhause fühlen: Nutzen Sie, womit Sie sich identifizieren können (z.B. gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg oder Feedback-Interventionstheorie nach Kluger & DeNisi). Probieren Sie die jeweiligen Techniken immer wieder aus, z.B. mit einer Person Ihres Vertrauens. Techniken sollen Ihnen als Steigbügelhalter für Ihre Botschaft helfen. Es geht nicht darum, diese Lehrbuch-konform zu reproduzieren. Erinnern Sie sich daran, immer Beispiele zu nennen. Bleiben Sie so konkret wie möglich. Interpretieren Sie nicht, weisen Sie stattdessen darauf hin, was das konkrete Verhalten bei Ihnen auslöst. Und vergessen Sie schlussendlich nicht zu formulieren, was Sie sich künftig wünschen.
So gerüstet können Sie gemeinsam Lösungen finden, für die Sie sich beide committen. Manchmal braucht es noch eine weitere Runde. Das ist in Ordnung. Wichtig ist für Sie, am Ball zu bleiben – und Handlungskontrolle zu bewahren. Das gilt für die Führungskraft und für die Mitarbeiter:innen – im Dienst einer besseren Zusammenarbeit.
[1] Das Konzept der psychologischen Sicherheit nach Edmondson („The Fearless Organization“) beschreibt diesen Zustand als die gemeinsam geteilte Überzeugung, dass Risiken in einer Beziehung gewagt werden können, ohne dass sie negativ sanktioniert werden, z.B. Herausforderndes gesagt werden kann ohne Angst, dass die Arbeitsbeziehung Schaden erleidet.
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